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conversation piece (2008) texte (2) Kirsten Maar: Zur allmählichen Verfertigung eines unterhaltsamen Gesprächs. Überlegungen anlässlich Petra Sabischs "conversation piece" Volltext >>> Auszug: "Wie ließe sich eine gute Unterhaltung mit Anderen entwerfen? Was wären die Parameter eines solchen Prozesses? Denn dass es sich im conversation piece um eine Art Entwurf oder Komposition eines sowohl räumlichen als auch zeitlichen Ereignisses handelt, das bestimmten Umgangs-Forme(l)n und Regelsystemen folgt, zeigt sich schnell, wenn man den Raum der Tanzfabrik betritt, in dem die Choreographin Petra Sabisch, die Performer Valentina Desideri, Frédéric Gies, Krõõt Jurak, Eduard Mont de Palol und Sophia New den Voraussetzungen einer Unterhaltung nachgehen [...] Das Publikum und die Performer werden gemeinsam zu Zuschauern eines Gedankenverlaufs, man teilt die Blickrichtung und die Erfahrung des Lesens, den Raum, in dem die Sinnkonstruktion sich ereignet; dennoch gibt es eine andere Aufteilung, denn die dem Ablauf zugrunde liegende Anordnung bleibt dem Publikum vorerst unbekannt*, es muss sich seinen Weg durch das nur halb bekannte Terrain erst selber bahnen, setzt nach und nach wieder neu zusammen, was das Sprechen wirksam macht. Wie ein Raum, der gewisse Möglichkeiten und Einschränkungen für Bewegungen bereithält, auf Regeln und Ausnahmen beruht, konfrontiert die Inszenierung jeden einzelnen beständig mit der Notwendigkeit diese Regeln des Gesprächsraums, der Sinnstiftung und Kommunikation zu re/konstruieren, und so wird die Aufmerksamkeit geschärft für das, was unsere eigenen täglichen „Rahmenhandlungen“ ausmacht und sensibilisiert für den darauf folgenden Dialog." [...] Innerhalb des nun folgenden Gesprächs sind die jeweiligen minimalen Differenzen von Bewegungen, die Nuancen im Stimmverlauf, die Veränderungen der Blicke, die Beschleunigung oder Verzögerung des Tempos von Bedeutung und man fragt sich, was die Momente dessen, was ungefüllt bleibt und die Imagination und Interpretation des Anderen herausfordert, jeweils bewirken. Dem Zuschauer wird eine Situation des als-ob jenseits der herkömmlichen identifikatorischen Theaterfiktion vorgespielt: Die Performer bestreiten die Unterhaltung mittels einer eigens erfundenen Kunstsprache des Gibberish und sie tun dies in virtuoser Weise. Über entsprechende Posen, Gesten, Mimik Rhythmus, Struktur, Laut und Klang der Stimme und deren Zuordnungen im Zusammenwirken erschließt sich der Verlauf einer Unterhaltung mit Höhepunkten, Auseinandersetzungen, Einverständnis und Verfehlung. Gerade im Entzug des Sinnverständnisses der Sprache wird deutlich, inwiefern die Fiktion wesentlicher Teil eines jeden Verstehens und Austauschs ist. So kann die Konversation als ein ständiges Entwerfen und Verwerfen verstanden werden, als ein Tun, das stets wieder seine eigene Bedingtheit reflektiert, aber aufgrund der Zeitlichkeit und der improvisatorischen Struktur immer wieder auch Verschiebungen oder Regelverletzungen in diesen Prozess mit eintragen muss, bzw. gerade diese auch wieder produktiv machen kann. [...] Die Bedeutung der Partitur als Instrument der Aufführung verwandelt sich hier in ein vielmehr Gemeinschaft-stiftendes Moment. Mit dem Ineinandergreifen von Partitur als Instrument der Aufführung und der Aufführung als Werkzeug der Interaktion werden neue Zwischenräume eröffnet und der partizipatorische Charakter unterstrichen: Als Modell einer allseits bekannten Situation einerseits und als Modell für zu teilende Situationen andererseits öffnet das conversation piece den Prozess der Wissensakkumulation hin zur Seite des Publikums als "Öffentlichkeit". [...]"
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